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26. Oktober 2020

Wenn ein kleines Herz aufhört zu schlagen, beginnt ein Stern ganz hell zu strahlen

Bethesda Spitalpfarrer Stefan Weller und Hebamme Stefanie Germann vor dem Baum des Lebens

Nichts ist schlimmer als ein Kind zu verlieren. Gerade in dieser existentiellen Situation hätten die Eltern Raum und Gehör für die Trauer um ihr Kind besonders nötig – nicht selten hat ein solch einschneidender Verlust Krisen in der Partnerschaft und Depressionen zur Folge.

Zu einem derart hochemotionalen Schicksalsschlag scheinen Statistiken - auf den ersten Blick nicht zu passen, doch für den Trauerprozess kann es tröstlich sein zu wissen, dass man nicht die einzige Person auf der Welt ist, die ein Kind verliert. Laut dem Bundesamt für Statistik endet jede dritte Schwangerschaft frühzeitig. Darin eingeschlossen sind auch die Föten, die vor der 12. Schwangerschaftswoche versterben. Die Säuglingssterblichkeit geht seit vielen Jahren zwar leicht, aber kontinuierlich zurück, doch die Totgeburtenrate ist seit Anfang der neunziger Jahre relativ stabil geblieben. «Leider ist die genaue Ursache von Totgeburten bei ungefähr 30% aller Fälle unbekannt. Auch Frauen, die nur kurze Zeit schwanger waren, spüren einen tiefen Verlust. Das darf keinesfalls unterschätzt werden», fügt die Hebamme hinzu.

«Trotz allen uns in der modernen Medizin zur Verfügung stehenden Massnahmen und den besten und umfassendsten pränatalen Untersuchungen, lassen sich nicht alle Vorgänge im Mutterleib erklären.»


Stefanie Germann, Hebamme

Die Brücke zwischen Trauer und Hoffnung

Jeder Mensch geht anders mit Trauer um. Oftmals wissen weder Betroffene noch die Angehörigen selbst mit der Situation umzugehen. «Aus meiner langjährigen Erfahrung weiss ich, dass Eltern dringend Hilfe brauchen, wenn ihr Kind nicht lebend zur Welt kommt oder kurz nach der Geburt verstirbt», erzählt Stefan Weller, Spitalpfarrer im Bethesda. Um Eltern, Geschwistern und Familienangehörigen eine ganzheitliche Begleitung in dieser Notsituation zu ermöglichen, arbeitet das Seelsorgeteam eng mit den involvierten Ärzten, dem Pflegeteam und den Hebammen zusammen. «Wenn jemand zum Reden gebraucht wird, sind wir zur Stelle und haben ein offenes Ohr, selbstverständlich nicht nur für religiöse Anliegen», betont der Spitalpfarrer.

Nicht nur im engsten Familienkreis hinterlässt der Tod eines ankommenden Kindes Spuren, sondern ebenfalls bei Hebammen und anderen Mitarbeitenden in der Geburtsklinik des Bethesda Spitals. «Deshalb laden wir alle Betroffenen dazu ein, bei der Gedenkfeier Erinnerungen, Schmerz, Trauer und Trost miteinander zu teilen», so Stefan Weller.

«Wir führen einmal im Jahr eine Gedenkfeier für frühverstorbene Kinder durch, damit diese kurz aufgeleuchteten Leben angemessen gewürdigt und verabschiedet werden können.»


Stefan Weller, Spitalpfarrer, Bethesda Spital

Die stille Geburt

Wenn ein Kind im Mutterleib stirbt, wird die Geburt meist medikamentös eingeleitet. «Das geschieht in einer sehr intimen Atmosphäre, die Raum für Trauer zulässt», erklärt Stefanie Germann. Es gibt bei stillen Geburten vieles zu besprechen: Wer soll dabei sein? Wird es gewünscht, das Kind in den Arm zu nehmen? Wie soll das Kind bestattet werden? «Nicht selten haben die Mütter, und noch öfters die Väter, Angst vor der Begegnung mit dem Kind. Damit die schönen Momente in Erinnerung bleiben, werden die Sternenkinder liebevoll hübsch angezogen und umrankt von Blumen sanft eingebettet. Fotos, ein Fussabdruck oder eine Haarlocke helfen ebenfalls. Auch wird ein auf die Bedürfnisse der Eltern zugeschnittenes Abschiedsritual im Raum der Stille oder im Stationszimmer angeboten. «Den Eltern wird, soweit es die Möglichkeiten erlauben, die Entscheidungskompetenz überlassen, wie das Ritual gestaltet werden soll, das hilft, den Trauerprozess einzuleiten», versichert Stefanie Germann.

«Es ist jedes Mal anrührend zu sehen, wie die Eltern erstaunt darüber sind, wie friedlich es aussieht.»


Stefanie Germann, Hebamme

Lebensbaum im Bethesda Spital

Seit einem Jahr steht ein anschauliches Symbol für die Gedenkfeiern im Raum der Stille des Bethesda Spitals: Der Baum des Lebens, in dessen Ästen kleine Holztäfelchen in Form von Schmetterlingen mit den Namen der Sternenkinder hängen.
Das imposante Schnitzwerk vereinigt die vier Jahreszeiten und verdeutlicht, dass der Tod zum Leben gehört. «Er ist ein Symbol, zu dem auch Menschen einen Zugang haben, die mit einem Kreuz nichts anfangen können oder denen es zu vorbelastet ist», meint Stefan Weller.
Der Lebensbaum verbindet Kulturen und Glaubensrichtungen, integriert Verlust und Trauer in den Lebenskreis und stiftet Hoffnung – kraftvoll in der Erde verwurzelt und dennoch mit den Ästen dem Himmel entgegengestreckt.